Tauchschein trotz Angst – (M)eine Geschichte, die Mut macht

Ein Tauchschein trotz Angst? Klingt für viele unvorstellbar – und doch geht es mehr Menschen so, als man denkt. Die Vorstellung, unter Wasser zu atmen oder in tiefen Gewässern zu tauchen, kann beängstigend sein. In diesem Artikel erzähle ich dir meine persönliche Geschichte: Wie ich trotz meiner Angst vor tiefem Wasser den ungeplanten Weg zum Tauchsport gefunden habe – vom Open Water bis zum Divemaster – und warum Tauchen aus meinem Leben heute nicht mehr wegzudenken ist. Wenn auch du mit dem Gedanken spielst, einen Tauchschein zu machen, aber Angst davor hast und dich fragst, ob es das richtige für dich ist, findest du hier einen ehrlichen Erfahrungsbericht.

Tauchschein trotz Angst – wie kam es dazu?

Meinen Open Water Tauchschein habe ich bereits 2018 auf Koh Tao in Thailand gemacht. Es klingt wahrscheinlich total absurd, aber eigentlich hatte ich nie vor, einen Tauchschein zu machen. Mein Ex-Partner allerdings schon. Alleine der Gedanke daran, aus einer Flasche zu atmen und irgendwo auf dem Meeresgrund herumzudödeln, ließ mich erschaudern.

Ich hatte mir vorgenommen, gemütlich meine Füße in den Sand zu stecken und meinen Panz in der Sonne zu bräunen, während mein Ex die Unterwasserwelt entdeckte. Ich war absolut Fein damit, mir die Zeit anderweitig zu vertreiben. An Land, in Sicherheit.

Die Unterwasserwelt: So schön und faszinierend

Aber die guten Überredungskünste der Tauchlehrerin führten dazu, dass ich am Abend vor Beginn des Kurses zumindest einmal einen Blick ins Lehrbuch warf. Zugegeben, ein bisschen interessierte es mich ja schon, wie das alles funktionierte. Und ehe ich mich versah, saß ich zusammen mit meinem Ex im Klassenzimmer und sah mir die Videos zur Einführung an.

Die Angst vor dem Maskentest

So hangelte ich mich Schritt für Schritt von Einem zum Nächsten, probierte das Equipment an und hüpfte sogar in den Pool, um den Schwimmtest zu machen. Dann sollten wir das erste mal durch den Atemregler atmen. Erst Über-, und dann Unterwasser. Obwohl ich mir mit jeder Übung auf’s neue in den Wetsuit hätte machen können, absolvierte ich alles irgendwie mit Bravour. Bis mein Endgegner kam: Das Ausziehen der Maske Unterwasser.

Für viele mag es so einfach klingen: Maske aus, Maske an, auspusten – fertig. Ich jedoch hätte mich lieber Nackt auf den Time Square in New York gestellt und live im Fernsehen „Alle meine Entchen“ gesungen, als auch nur für 5 Sekunden meine Maske aus- und wieder anzuziehen. Bei jedem Versuch überkam mich eine Panik, die sich gewaschen hatte. Immer wieder stieß ich mich vom Boden ab, um an die Oberfläche des Pools zu eilen. Es kam mir vor, als sei er 20 Meter tief, dabei befand ich mich nur einen Meter unter der Oberfläche. Obwohl es mir unsagbar unangenehm war, verzog meine Tauchlehrerin jedoch keine Miene. Sie war der geduldigste Mensch, dem ich bis dato je kennengelernt war. Sie wartete und besänftigte mich, sprach mir gut zu und half mir schließlich, meine Angst für eine Millisekunde zu überwinden und diese doofe Maske aus- und wieder anzuziehen.

Angst vor dem Tauchen überwinden

In der folgenden Nacht machte ich kein Auge zu. Ich verbrachte die Hälfte der Zeit mit Bauchschmerzen auf der Toilette. Die Poolsession war erst der Anfang gewesen, und das wusste ich. Der Gedanke daran, die Maske im offenen Meer erneut ausziehen zu müssen, in tieferem Gewässer außerhalb des sicheren Pools, bereitete mir solch eine Angst, dass ich am nächsten Morgen weinend vor meiner Tauchlehrerin stand und ihr erklärte, dass ich aufgeben wollte.

Wie ein Fisch mir die Angst vor dem Tauchen nahm

Schließlich bekam sie mich irgendwie doch ins Wasser, heulend und schnappatmend. Sie sah mir dabei tief in die Augen und symbolisierte mir, einfach weiter zu atmen, während sie mich an der Hand immer weiter in die Tiefe des Ozeans führte. Ich tat es ihr gleich, versuchte, nicht die Kontrolle zu verlieren. Den Blick stets auf ihre warmen, wohlwollenden Augen gerichtet, bis sie mir irgendwann mit einem Zeichen zu verstehen gab, dass ich nach unten schauen sollte. Ich konnte meinen Augen kaum glauben, da stand ich doch tatsächlich mit beiden Beinen auf dem Meeresgrund und hatte es nicht mal gemerkt!

Auf dem Tauchboot

Dann war es Zeit für die Übungen, die wir bereits am Vortag im Pool gemacht hatten. Mein Herz pochte bis zum Hals, als ich meine Maske in die Hände nahm und sie von meinem Gesicht löste. Ich erinnere mich noch genau daran, wie das kühle Wasser meine Augen berührte, wie die Blasen meines Atemreglers gegen meine Nase blubberten, und wie ich behutsam meine Maske wieder aufsetzte, ausatmete, und die Augen öffnete. Dann entdeckte ich den ersten Fisch. Ein schwarz-gelb-weiß gestreifter Bannerfish schwamm so friedlich und elegant an mir vorbei, dass mich innerlich eine Ruhe überkam, die ich so noch nicht von mir kannte.

Bannerfish im Riff

Ab dann war es um mich geschehen, und die Unterwasserwelt hatte mein Herz erobert. Drei Tauchgänge später hatte ich es schließlich geschafft: Ich hatte den Tauchschein trotz Angst absolviert und freute mich nun über die Open Water Zertifizierung, die mir die Tür zur Unterwasserwelt öffnete. Als ich nach dem letzten Tauchgang zurück aufs Boot geklettert kam, war ich der glücklichste Mensch der Welt, wie man auf dem Bild sehen kann.

Den Tauchschein trotz Angst gemacht - ich war mächtig stolz

Advanced Tauchschein in Honduras

Der Open Water Tauchschein wurde dann tatsächlich auch kräftig genutzt. Ich tauchte vor Koh Tao, schwamm mit Schildkröten vor Koh Phi Phi, sah das Riff vor Langkawi, das türkisblaue Wasser der Karibik und meine ersten Haie vor Mexiko. Meinen Advanced Tauchschein machte ich schließlich erst ganze 5 Jahre später auf der kleinen Insel Utíla in Honduras. Aber eigentlich nur, um versicherungstechnisch auf der sicheren Seite zu sein, sollte ich mal versehentlich tiefer als die beim OWD vorgeschriebenen 18 Meter tauchen. Denn an diese kam ich während all der Tauchgänge oft verdammt nah heran.

Auch wenn ich anfänglich nervös war, merkte ich schnell, dass der Advanced Tauchschein eher eine spaßige Angelegenheit ist. Er besteht aus insgesamt 5 themenbezogenen Tauchgängen, wovon 3 frei gewählt werden können. Einzig der Tauchgang auf 30 Meter Tiefe sowie ein Navigationstauchgang gehören zum Pflichtprogramm. Für die anderen drei Tauchgänge hatte ich mir Tarierung, Wrack- und Nachttauchen ausgesucht – eine gute Wahl, wie ich im Nachhinein feststellte.

Mit dem Advanced Tauchschein kann man in den meisten Tauchgebieten der Welt tauchen

Der Advanced Tauchschein in der Tasche hatte mir dann erstmal gereicht, schließlich konnte ich damit im Großteil der weltweiten Tauchgebiete ohne Probleme tauchen gehen. Allerdings fühlte ich mich immer noch etwas unsicher. So richtig Ahnung vom Tauchen hatte ich dann irgendwie doch nicht und was genau macht man eigentlich, wenn etwas passiert?

2025: Zurück nach Koh Tao

Warum ich zurückkam

Als ich Ende 2024 beschloss, unser Indienprojekt frühzeitig abzubrechen und alleine weiterzureisen, brauchte ich einen Ort, um meine Wunden zu lecken. Und da es meine erste Solo-Reise werden würde (Tobi musste in Indien bleiben), wollte ich bestenfalls länger an diesem Ort bleiben und eine Beschäftigung haben.

Schließlich brachte Tobi Koh Tao zurück ins Spiel. Jene Insel, auf der ich 2018 bereits meinen OWD absolviert hatte. Er schlug vor, dass ich dort ja den Rescue- und anschließend den Divemasterkurs machen könne. Tobi hatte 2018 selbst seine Tauchausbildung auf Koh Tao gemacht – vom Open Water bis zum Divemaster – und schlug mir seine Tauchschule Bans Diving vor. Ich dachte an meine Angst und hatte zunächst gar keinen Bock darauf. Aber er hatte recht. Mit dem Rescue Diver würde ich mich beim Tauchen sicherer fühlen. In der Ausbildung zum Divemaster würde ich außerdem die erste professionelle Stufe des Tauchsports erklimmen, täglich Taucherfahrung sammeln und ein umfangreiches Wissen erlangen. Und für eine Angsthäsin auf ihrer ersten Solo-Reise war ein vertrauter Ort gar nicht so schlecht.

So saß ich ein paar Tage später schließlich im Flugzeug von Delhi nach Bangkok, auf dem Weg in mein erstes Solo-Abenteuer in der Ferne.

Anreise mit Folgen

Ich hatte mich nach einem kurzen Aufenthalt in Bangkok für die Nachtfahrt mit dem Bus entschieden, um so die Kosten für die Unterkunft zu sparen und gleich morgens auf Koh Tao anzukommen. Die Fahrt verlief ruhig und ohne Probleme – das ständige Husten meiner kränkelnden Sitznachbarin ausgenommen, dem ich nicht ausweichen konnte. Keine Chance. Während sie mir fiebrig und keuchend von ihrer bisherigen Reise berichtete, zählte ich innerlich bereits die Tage, die mir womöglich auf Koh Tao blieben, bevor ihre Keime meinen Körper zu Boden zwingen würden. Da hatte ich doch tatsächlich 5 Wochen Indien überlebt, war nicht einmal 24 Stunden in Thailand und musste schon befürchten, die Grippe meines Lebens zu bekommen.

Zurück in Thailand: Anreise nach Koh Tao

Rescue Kurs

Rescue Diver – der Erste Versuch

Auf Koh Tao angekommen startete ich zwei Tage später mit dem Rescue Kurs. Nach einer kurzen Einführung und einem Video am Vormittag ging es im Anschluss in den Pool, um die lebensrettenden Maßnahmen für den Ernstfall zu üben. Hier machte ich auch schon Bekanntschaft mit einigen der aktuellen Divemaster-Anwärtern der Tauchschule. Die waren als Assistenten dabei und spielten Opfer, die es zu retten galt. Ich bekam also schon gleich ein Bild davon, was mich in der Ausbildung zum Divemaster erwartete.

Poolsession - Den Tauchschein trotz Angst machen

Zu meiner Verwunderung war die Pool-Session für mich anstrengender als gedacht. Ich tat mich schwer damit, mein 1.80 m großes männliches Opfer aus dem Wasser zu ziehen und fürchtete kurzzeitig, dass er durch meine Unfähigkeit tatsächlich ertrinken konnte. Immer wieder musste ich von vorne beginnen, weil ich entweder die einzelnen Schritte durcheinander brachte oder körperlich an meine Grenzen kam. Wie zur Hölle sollte ich all das am nächsten Morgen im offenen Meer mit Strömung und Wellen schaffen?

Frustriert und geschafft stieg ich schließlich aus dem Pool. Allmählich dämmerte es mir, warum mir alles so schwergefallen war, denn mein Hals fing tierisch an zu kratzen. Ich musste unweigerlich an meine Sitznachbarin aus der Busfahrt denken. Wow, das ging schnell.

Der Rückschlag

Perfekt für die Halsschmerzen war ich am Abend auf Hannah’s Geburtstagsfeier in einer Karaokebar eingeladen. Hannah hatte ich zusammen mit einigen anderen bereits auf der Überfahrt von Chumphon nach Koh Tao kennengelernt und wir waren seitdem unzertrennlich. Es war außerdem ihr letzter Abend auf der Insel, und so gab ich nochmal alles und schrie mein letztes bisschen Stimme in die Nacht hinein.

Auf Koh Tao herrscht reges Nachtleben

Am nächsten Morgen bekam ich keinen Ton mehr heraus. Nicht mal einen Pieps. Den Rescue Kurs musste ich damit erstmal auf Eis legen und sah enttäuscht dabei zu, wie meine Gruppe ohne mich aufs Boot stieg.

Die nächsten Tage verbrachte ich stumm, während die Stimme in meinem Kopf immer lauter wurde. Mittlerweile waren alle abgereist, mit denen ich die ersten Tage verbracht hatte – und so war ich vollkommen auf mich allein gestellt. Wenn du das einzige verlierst, was du brauchst, um mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen – deine Stimme – wie sollst du dann neue Freunde auf der Insel finden?

Stumm auf Koh Tao

Während um mich herum alle Party machten und mit anderen über das Leben philosophierten, beschränkte sich meine Kommunikation auf Textnachrichten mit Tobi, in denen ich mich selbst bemitleidete und klarstellte, dass ich den Divemaster auf keinen Fall machen würde.

Es dauerte insgesamt eine Woche, bis ich wieder in der Lage war, mir in einem Restaurant Essen zu bestellen, ohne mit Hand und Fuß auf einer Karte auf das Gericht zeigen zu müssen, das ich haben wollte.

Rescue Diver – der Zweite Anlauf

Dann war es aber endlich so weit. Rescue Kurs 2.0, ein neuer Anlauf mit neuer Gruppe und einer anderen Tauchlehrerin. Und ich sag’s euch: ZUM GLÜCK war mir all das passiert. Denn wie das Schicksal es wollte, bekam ich mit Divebuddy Milena und Divemaster Hannes in der Opferrolle gleich zwei super coole Menschen an meine Seite gestellt, die in den folgenden Wochen zu meinen besten Freunden auf der Insel wurden. Kaum fühlte ich mich etwas fitter, fielen mir auch die Übungen gar nicht mehr so schwer. Zwei Tage später stieß ich mit meiner Gruppe auf unsere neue Rescue Diver Zertifizierung an.

Noch einen Schritt weiter: Mit dem Rescue Diver

Voller Euphorie über die neue Tauchlizenz und meinen neugewonnenen Freunden schrieb ich gleich am nächsten Tag meinen Namen direkt neben Milena’s in die leere Spalte auf das Board mit den Divemaster-Kandidaten. Damit war es offziell: Ich würde die Divemaster-Ausbildung auf Koh Tao machen und die erste Stufe des professionellen Tauchens erklimmen!

Tauchschein trotz Angst – ein Allgemeinrezept?

Es ist möglich, den Tauchschein zu machen, auch wenn man Angst vor tiefen Gewässern hat. Es ist auch möglich, Angst vor dem Tauchen zu haben und es gleichzeitig so sehr zu lieben, dass man darin sogar Ruhe findet. Für mich bedeutet Tauchen vor allem eines: Die totale Stille und das Bewusstsein, ganz im Moment präsent zu sein. Die Schwerelosigkeit, Bewegungen in Slow-Motion und ein Herz voller Freude über die kleinen und großen Überraschungen des Ozeans. All das hätte ich beinahe nie herausgefunden, wäre meine Tauchlehrerin 2018 nicht so hartnäckig geblieben.

Die Unterwasserwelt ist wunderschön, aber vor dem Tauchschein haben viele Angst

Natürlich ist die Angst auch in meinem Fall nicht einfach verpufft, nur weil ich einen Tauchschein gemacht habe. Ich springe wortwörtlich jedes mal auf’s Neue über meinen Schatten vom Boot ins Wasser. Vor allem die Ausbildung zum Divemaster hat mir nochmal alles abverlangt – dazu aber in einem späteren Artikel mehr.

Ein Allgemeinrezept gegen die Angst vor dem Tauchen gibt es nicht. Wenn ich es schon gefunden hätte, wäre ich die erste, die es nutzen würde. Natürlich birgt der Tauchsport Risiken, und ein gesunder Respekt ist in jedem Fall ratsam. Aber Angst ist oft irrational, und das muss man sich immer wieder bewusst machen. Deshalb: Wenn du es wirklich ausprobieren möchtest, versuche es. Und vielleicht kommt auch bei dir ein schwarz-gelb gestreifter Bannerfish vorbei, der dir zeigt, wie schön die Unterwasserwelt ist.

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