Tokio Highlights – Reisebericht für 10 Tage

Schillernde Leuchtreklame, uralte Schreine, Rahmen und Sushi – meine Weltreise bringt mich 2018 nach Tokio, der größten Stadt der Welt. Schon immer wollte ich nach Japan, und nun sollte sich mein Wunsch erfüllen. Pünktlich um 22 Uhr landet mein Flieger. Zehn volle Tage sind eingeplant, bevor es weiter nach Malaysia gehen soll. Eine Stadt voller Eindrücke, positiv wie negativ, aber dennoch ein Erlebnis wert. Wie es mir in Tokio ergangen ist und wie verrückt Japans Hauptstadt wirklich ist, erfährst du in diesem Reisebericht.

Einer der unzäligen Schreins in Tokio

Unterkunft in Tokio – 24h Kapselhotel

Ein Blick aufs Handy zeigt: eine Übernachtung in Tokio ist unglaublich teuer. Nicht ohne Grund leben die Menschen hier meist auf wenigen Quadratmetern. Für Low-Budget Backpacker wie mich sind 100 Euro die Nacht für ein Zimmer einfach nicht tragbar, also entscheide ich mich für ein sogenanntes 24 Stunden Hotel. Dieses ist etwas günstiger, was wohl an der besonderen Art zu schlafen liegt. Man schläft hier in Großraum-Schlafsälen in seiner eigenen „Kapsel“.

Im gesamten Hotel werden – bis auf die Lobby – Geschlechter getrennt. Zugegebenermaßen wollte ich so ein Hotel sowieso schon längst einmal ausprobieren, und hier in Tokio sind diese gerade bei Businessreisenden sehr beliebt. Aber die Kapseln sind noch nicht alles. Für jedes Geschlecht gibt es ein eigenes Stockwerk, ebenso für die »Umkleidekabinen«, die sich im Keller befinden. Die einzelnen Stockwerke sind nur mit einem Fahrstuhl erreichbar. Man steigt also ein und findet zwei unterschiedliche Knopfleisten vor: eine für Männer und eine für Frauen.

Ein Blick in den Schlafsaal und auf die Kapseln.

Zur Kapsel gibt es einen frisch gewaschenen Schlafanzug, Zahnbürste und ein Paar Hausschuhe. Der Rucksack bleibt in einem Schließfach in der Umkleidekabine. Für den wäre in meiner Kapsel ohnehin kein Platz. Also schlurfe ich mit meinen neuen Pantoffeln im Schlafanzug zurück zum Aufzug und drücke auf die zwei für den Frauenschlafsaal. Der Raum ist abgedunkelt und ruhig. Leuchtende Zahlen am Boden markieren die Kapseln, und ich laufe durch den verwinkelten Raum, um meine mit der Nummer 438 zu finden. Jeder normale Mensch würde vermuten, dass die Kapseln der Reihe nach aufgezählt werden, dem ist aber nicht so. Nachdem ich Kapseln 410-430 passiert habe, stehe ich plötzlich vor Nummer 442. Es dauert eine ganze Weile, bis ich meine gefunden habe. »Willkommen in Tokio«, denke ich. Verrückte Stadt.

Ein Blick in die Kapsel

Das Bett ist ausgesprochen bequem. Anders als vermutet höre ich in der Nacht keine anderen Personen, was allerdings auch daran liegen könnte, dass ich mir den 50-Betten-Schlafsaal mit maximal fünf weiteren Personen teile.

Ein Manko an diesen 24-Stunden Hotels: die Kapseln müssen jeden morgen um spätestens acht Uhr wieder abgegeben werden. Dann werden sie gereinigt und ab 11 Uhr neu vergeben. Das bedeutet früh aufstehen, Kapsel räumen, Schließfach leeren, Karte, Schlappen und Schlafanzug abgeben, drei Stunden warten. Dann beginnt das Spiel von vorne, mit einer neuen Schließfachnummer, neuer Kapsel und frischem Schlafanzug. Bei zehn Tagen Kapsel-Roulette kann man schonmal durcheinander kommen, und so fange ich spätestens am vierten Tag an, regelmäßig zu vergessen, welche der 50 Kapseln im Schlafsaal ich gerade bewohne.

Technik und Toiletten in Tokio

Soweit ich das persönlich einschätzen kann, liegt das Hotel in äußerst guter Lage. In nur wenigen Gehminuten erreicht man verschiedene Bars und Restaurants sowie die Metro-Station. Als ich zum Bahnhof laufe fällt mir sofort auf, wie sauber die Straßen sind. Ein Klischee, dass ich wirklich bestätigen kann.

Aufgenommen irgendwo in der Milionenmetropole Tokio

Ich lasse mich verträumt von der Rolltreppe in die tiefgelegene Metrostation bringen, als plötzlich eine Stimme vor mir ertönt. »Achtung, bitte laufen sie rechts vorbei«, bittet mich ein kleines Baustellenschild direkt am Fuße der Rolltreppe auf Englisch. Das ist nur eines der vielen ungewohnten Dinge, die mir bei meinem Aufenthalt in Tokio begegnen. Den technischen Fortschritt Japans merkt man nahezu überall: in Restaurants, in Einkaufszentren oder auf der Toilette. Letzteres sorgt bei mir regelmäßig für schweißtreibende Erlebnisse, denn so viele Knöpfe – entschuldigung, dass ich das so sagen muss – haben meiner Meinung nach nichts auf einer Toilette verloren.

Kaum habe ich mich platziert, kann ich zwischen Vogelgezwitscher, Walgesang oder Wellenrauschen wählen, um meine Geräusche zu übertönen. Ein anderer Knopf beschert mir eine warme Dusche, dessen Stärke ich mit einem Regler auf den Stufen eins bis zehn exakt nach meinen Bedürfnissen einstellen kann. Mit einem Knopf stelle ich die Temperatur der Klobrille ein, und wieder ein anderer sorgt für einen aromatischen Duft, damit der Nachfolger keine Vergiftung erleiden muss. Die Funktionen der ungefähr zehn weiteren Knöpfe mit japanischer Beschriftung wollte ich nicht ausprobieren.

Meiji-Schrein und Shintō-Hochzeit

Weil mir die Fahrkartenautomaten in der Metro für den Anfang noch etwas zu kompliziert erscheinen und ich die Stadt sowieso viel lieber außerhalb der U-Bahn-Tunnel erkunden möchte, entscheide ich mich dann doch für einen ausgedehnten ersten Spaziergang und verlasse die Station auf der anderen Seite wieder, ohne in eine Bahn zu steigen. Etwa eine Stunde Fußweg entfernt finde ich den Meiji-Jingu Schrein. Er ist dem im Jahre 1912 verstorbenen Kaiser Meiji-tennō und seiner Frau gewidmet, und ist Anlaufpunkt für viele Einheimische und Touristen. Es ist ein sogenannter Shintō-Schrein. Um ihn herum ist eine kleine Oase entstanden und diese wird sowohl aus religiösen Gründen, als auch als Erholungsgebiet im Zentrum Tokios besucht. Noch heute finden im Meiji-Jingu Schrein Shintō-Hochzeiten statt. Ich habe Glück, denn ich bekomme bei meinem Besuch die Chance, eine dieser Hochzeits-Zeremonien zu sehen.

Shinto Hochzeit im Meiji-Schrein
Glaubenskärtchen werden in den Schreins geschrieben und aufgehangen.Die Wünsche sollen in Erfüllung gehen.

Highlight in Tokio: die Shibuya Kreuzung

Danach laufe ich weiter zur berühmten Shibuya-Kreuzung, die ich schon aus etlichen Filmen und Fotos kenne. Zum ersten Mal merke ich, dass ich mich tatsächlich in einer Millionenmetropole befinde. Ich stelle mich an den Straßenrand der riesigen Kreuzung und warte wie alle anderen geduldig, bis das Zeichen auf Grün wechselt. Binnen weniger Sekunden sammeln sich hunderte Menschen am Straßenrand. Kaum zeigt die Ampel grün, beginnt ein wildes Durcheinander und alle Menschen versuchen innerhalb einer Minute auf die andere Straßenseite zu wechseln ohne sich gegenseitig umzurennen. Ich bleibe kurz in der Mitte stehen und bewundere das Geschehen um mich herum.

Jess auf der beruehmten Shibuya Kreuzung in Tokio

Ich frage mich, wie es wohl zur Rush-Hour sein muss, und beschließe kurzerhand, mich in den nächsten Starbucks zu setzen und darauf zu warten. Von dort hat man nämlich eine geniale Aussicht auf die Kreuzung, vorausgesetzt man findet darin einen Platz am Fenster (es hat sich definitiv herumgesprochen). Doch das Warten lohnt sich: tatsächlich wird sich die Anzahl der Menschen, die im Minutentakt über die Straße huschen, in der nächsten Stunde noch fast verdoppeln. An der Kreuzung befindet sich übrigens auch die Statue des berühmten Hundes Hatchiko. Der auf einer wahren Begebenheit beruhende Film hat damals viele Menschen zu Tränen berührt. Shibuya war die Station, an der die treue Seele einst auf sein Herrchen wartete, das irgendwann nicht mehr zurückkam.

Ein Blick aus dem Starbucks auf die Shibuya Kreuzung

Akihabara Elektric Town

Am nächsten Morgen wage ich es dann doch, mich durch den Automaten-Dschungel zu kämpfen und mir ein Metro-Ticket zu besorgen. Ob es das richtige ist, weiß ich nicht, denn bis auf das Datum steht alles auf japanisch drauf. Durch das Gate und in die Bahn komme ich damit schonmal, und ich bin mächtig stolz, dass das geklappt hat. Es geht nach Akihabara, dem wohl innovativsten und buntesten Stadtteil Tokios. Kaum steige ich aus der Bahn, schallt mir laute japanische Elektro-Musik entgegen. Obwohl es regnet, finde ich auf den Straßen von Akihabara ein kunterbuntes Treiben vor.

In den Läden reihen sich Kuscheltiere an Anime-Figuren, überall sehe ich blinkende und glitzernde Leuchtreklame mit japanischen Schriftzeichen, junge Frauen in Cosplay-Kostümen, Spielhallen und jede Menge komisches Zeug, dessen Funktion ich nicht zuweisen kann. Ich versuche mich darin, einen Kuschel-Pinguin an einem der endlos vielen Automaten zu gewinnen, aber verliere nur mein Geld. Im gleichen Moment sehe ich eine Gruppe Mariokarts auf der Straße an mir vorbeifahren. Die tragen sogar Kostüme!

Akihabara Elektric Town, ein beliebter Stadtteil von Tokio - alles funkelt und leuchtet.
MarioKarts fahren durch Tokios Straßen!

Besuch im Eulencafé

Überall stehen Menschen, die einem Zettel in die Hand drücken möchten. An den meisten gehe ich gezielt vorbei, ich kann die Schrift ja sowieso nicht lesen. Aber bei einer Dame kann ich nicht anders. Eine Schneeweiße, waschechte Eule sitzt auf ihrer Schulter und schaut mich mit großen Glubschaugen an. Meine Lieblingstiere! Als kleines Mädchen hat man mir auf Mallorca in einem Schwimmbad am Rutschenturm ohne das Wissen meiner Eltern eine Eule auf den Arm gesetzt und ein Foto geschossen.

Meine Eltern ärgerten sich über den viel zu überteuerten Preis, aber um mich war es seither geschehen. Eulen und ich – eine ganz verrückte Liebesgeschichte. Ich besitze nahezu alles mit Eulenprint, von Tassen bis hin zur Bettwäsche. Hier in Tokio kann ich diesen Tieren nun endlich wieder näher kommen, und so folge ich der Dame wie ein Zombie in ein Eulencafé. Für umgerechnet fünf Euro Eintritt habe ich zwei Stunden Zeit, mich mit einem „kostenlosen“ Kaffee zu den süßen Tieren zu gesellen.

Ich streichle eine Eule

Kleine Info hierzu am Rande: Natürlich muss ich zugeben, dass ich die Tiere in diesem Moment umwerfend fand, würde es aber im Nachhinein mit dem heutigen Wissen nicht mehr empfehlen, dem Wohlergehen der Tiere zu liebe, die natürlich in Freiheit gehören.

Essen in Tokio

Was das Essen in Tokio angeht, ist Japans Hauptstadt für mich Himmel und Hölle zugleich. Gut: man kann fast überall an Automaten bestellen und bekommt das Essen dann an den Tisch gebracht. An den meisten Automaten kann man die Sprache auf Englisch ändern und so schonmal erahnen, was sich in dem Essen befindet (nicht so wie etwa in China, wo man wirklich nur anhand eines Bildes entscheidet, ob man es nun nimmt oder nicht).

Schlecht: in Japan ist es normal, auf jedes Gericht ein rohes Ei zu klatschen. Das wird dort einfach gemacht, und man kann nichts dagegen tun. Als ich in einer Shopping-Mall endlich einen Laden finde, dass normale Spagetti Bolognese anbietet, bricht es mir das Herz, als auch diese mit einem rohen Ei verziert auf meinem Tisch landet. Nur ein einziges Mal erhalte ich das Ei neben dem Teller, mit einem Zwinkern der Kellnerin und der Info, dass ihre Nichte in Europa lebt und sie daher weiß, dass wir Europäer die Sache mit dem Ei nicht so lecker finden. Dieses Restaurant besuche ich daraufhin noch drei mal.

Essen in einem Restaurant in Tokio
Glückliches Gesicht: Endlich mal kein Ei auf dem Essen.

Am letzten Abend fahre ich noch einmal nach Shibuya. Im vorbeigehen sehe ich zufällig ein Sushi-Restaurant mit All-you-can-eat Angebot, welches mich sofort in seinen Bann zieht. Zu dieser Zeit (2018) zähle ich noch nicht zu den Vegetariern, und so muss ich einmal original japanisches Sushi probieren, bevor es ins nächste Land geht. Das Essen wird in kleinen Häppchen direkt nach Bestellung über ein Fließband an den Platz gebeamt. Ich probiere mich einmal durch die Karte und bin komplett fasziniert darüber, wie anders, wie frischer das Sushi in Tokio schmeckt und beschließe, in Deutschland zukünftig einen Bogen darum zu machen.

Original japanisches Sushi
cof

365 Tage auf Weltreise

Am Abend begebe ich mich zum Sonnenuntergang auf das Regierungsgebäude und genieße den Ausblick auf Tokio. Zwar sind die Mitarbeiter nicht gerade die freundlichsten, dafür ist das Angebot umsonst. Ich beschließe, mich nicht ärgern zu lassen und lasse die Eindrücke der letzten Tage auf mich einwirken, während ich dabei zusehe, wie Tokio allmählich zu funkeln und glitzern beginnt.

Tokio bei Nacht, eine unglaublich schöne Aussicht hat man vom Regierungsgebäude

1. Oktober 2018 – ich bin an diesem Tag genau ein Jahr unterwegs.
»Wahnsinn«, denke ich. »Wie schnell ein Jahr vergehen kann, wenn man das tut, was man liebt.«

All die Länder, die Erfahrungen, die Begegnungen. Tage, an denen es mir schlecht ging und wiederum Tage, an denen ich die Welt umarmen konnte. All diese geballten Emotionen brechen auf mich herein und ich weiß, dass es das Richtige war.
»Ich komme wieder, Tokio.«, denke ich. »Mit etwas mehr Geld, und dann fahre ich Mariokart.«

Ich schieße noch ein paar Fotos von Tokio bei Nacht. Dann nehme ich die nächste Bahn zurück ins Kapselhotel und suche meine dumme Kapsel, die ich zum 10. und letzten Mal neu beziehen muss, bevor ich der größten Stadt der Welt den Rücken kehre.

Noch nicht genug von Tokio? Schaue dir hier meinen Aftermovie auf Youtube an.

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