202 Tage. Es war Ende November 2018, als das Ende meiner Weltreise bevorstand. Ich stand am Gepäckband des Flughafens in Frankfurt und wartete auf meinen Rucksack. Ich konnte meine Gefühle absolut nicht einordnen. Es störte mich irgendwie, dass die Durchsagen in meiner Muttersprache waren und ich jedes Wort deutlich verstand. Es störte mich, dass die Menschen an der Passkontrolle zuvor so unfreundlich zu mir waren und ich nicht mit einem „How are you?“ begrüßt wurde.
Banale Kleinigkeiten, die mich an diesem Tag zur innerlichen Verzweiflung brachten. Ich war noch nicht fertig. Ich war noch nicht bereit durch diese eine Tür zu gehen, die mich nach draußen brachte und das Ende meiner Reise bedeutete, obgleich ich im selben Moment genau wusste, dass es unaufhaltsam war. Und so nahm ich meinen Rucksack zwischen all den Koffern ein letztes Mal vom Gepäckband, schmiss ihn mit einem angestrengtem Seufzen ein letztes mal auf den Rücken und schritt durch die Tür zurück in mein altes Leben.
Dachte ich.
Mein altes Leben wollte mich allerdings genauso wenig zurück wie ich. Glaubt mir, ich würde gerne etwas anderes schreiben, aber die ersten Wochen fielen mir unglaublich schwer. Ich zeigte meine Fotos, meine Videos, erzählte Geschichten, immer wieder. Hoch und Runter. Das machte ich gerne – doch irgendwann war alles erzählt. „Na, wieder eingelebt?“ – „Scheiße, nein!“ Ich vergrub mich, traf nur meine wichtigsten Freunde und meidete wochenlang das Tennistraining. Ich wollte einfach nicht. Es fühlte sich falsch an, so weiter zu machen wie zuvor.
Dann machte es Klick
Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den Abend. Ich hatte mich tatsächlich aufgerafft und dem Tennissport noch eine Chance gegeben. Ich saß frisch geduscht und ausgepowert auf dem Sofa meiner neuen Wohnung und ließ meinen Gedanken zum ersten Mal freien Lauf. All die Wochen zuvor hatte ich versucht, meinen Fokus auf das „Zurückkommen“ zu legen. Irgendwie klar zu kommen, nicht an das Geschehene zu denken. Und doch habe ich es immer gerade deswegen getan. Die ganze Zeit auf Reisen war ich auf der Suche nach einer Antwort, für die ich nichtmal eine Frage hatte. Und irgendwie hoffte ich, diese würde unterwegs einfach so vom Himmel fallen. Ich war enttäuscht, ja fast schon verzweifelt, dass ich nun nach Hause kam und keine Antwort hatte. Doch als ich da so saß verstand ich plötzlich, dass ich mich bereits in einem Prozess befand. Ich wusste, dass ich etwas ändern musste.
Changes
Ich wechselte den Tennisverein, nahm eine neue Stelle in einem Startup an und lernte neue Leute kennen. Ich mistete meinen Kleiderschrank aus und verbrachte wieder mehr Zeit mit meinen Freunden. Leider konnte auch meine Beziehung zu Peter diesen Veränderungen nicht mehr länger stand halten und so beschlossen wir letztendlich getrennte Wege zu gehen.
Mein Leben war also schlagartig nicht mehr so, wie es noch vor meiner Reise war. Und es fühlte sich gut an. Ich ging zur ITB nach Berlin, machte einen Roadtrip durch Irland und reiste durch Deutschland, wann immer ich Zeit hatte. Doch trotzdem beschäftigte mich etwas. Innerlich wusste ich, was ich schon im November bei meiner Rückkehr wusste: ich war noch nicht fertig.
202 Tage später stehe ich erneut am Frankfurter Flughafen. Hinter mir liegt eine harte Zeit, die ich aber nicht missen möchte. Sie gehört zum Prozess, genauso wie die Reise davor. Und die Reise, die ich nun antreten werde.
Nur mit dem Unterschied, dass ich nicht mehr weiter auf der Suche nach einer Antwort bin, dessen Frage ich nicht weiß.
Hallo Jessi,
erstmal, vielen Dank für deinen tolle und ausführlichen Bericht.
Ich wünsche dir eine gute Reise, viele neue Eindrücke und Erfahrungen.
Freue mich auf weitere Berichte von dir.
Pass auf dich auf.
herzlichen Gruß Ute