Medellín ist Kolumbiens modernste und innovativste Stadt und zieht Reisende aus aller Welt an. Doch das war nicht immer so. Wer die Netflix-Serie Narcos gesehen hat weiß: Medellín ist die Stadt, in welcher der meistgesuchte Mann der Welt Pablo Escobar einst sein Unwesen trieb. Er war der Grund dafür, weshalb die kolumbianische Metropole als gefährlichste Stadt der Welt galt. Die Geschichte der Stadt ist dunkel und grausam, doch die Menschen schauen nach vorn, sie möchten nicht über die Vergangenheit sprechen. Medellín ist eine Stadt im Wandel, und das spürt man. So dunkel es einst auch war, umso bunter und vielfältiger ist das Leben dort heute. Trotzdem haben Medellín und ich so eine Art Hassliebe. Waren zu Beginn nur ein paar Tage in der Stadt geplant, werden daraus unfreiwillige Wochen, 4 Krankenhausbesuche und ein gestohlenes Smartphone. Unbedingt bis zum Ende lesen!
Hola Medellín
Der erste Eindruck von Medellín ist nahezu grandios. Von Salento kommend stranden wir zunächst am Busbahnhof und finden uns sofort zurecht. Die Infrastruktur der Stadt ist der Wahnsinn! Die Metro fährt im Minutentakt und ist so sauber, dass man vom Boden essen könnte. Da kann sich die deutsche Bahn gehörig eine Scheibe abschneiden. Wir nehmen uns ein Zimmer im Art City Hostel am Rande von El Poblado und müssen erstmal unsere Wäsche abgeben – leider kommt diese ohne meine neuen Lieblingssocken zurück. Stattdessen hat man mir alte, abgetragene Socken dazugepackt. Ja, ich rege mich über Socken auf! 😀 Das passiert allerdings nicht nur in Medellín – während der Reise durch Südamerika habe ich unzählige Kleidungsstücke (unfreiwillig) an so manche Laundry-Mitarbeiterinnen verschenkt. Weil wir uns trotz Doppelzimmer nicht besonders wohl fühlen, ziehen wir schon am nächsten Tag ins zentralere Montanita Hostel direkt im Herzen des Szeneviertels El Poblado. Hippe Cafés und Restaurants, Grafittis, Clubs und Bars zieren die Straßen. Hier ist Tag und Nacht etwas los und als wir das Nachtleben der Stadt erkunden, finden wir sogar eine Bar mit Bällebad. Wie cool ist das denn?

Gondelfahrt über Medellín
Mit einem normalen Metroticket ist es möglich mit einer der 4 Seilbahnen zu fahren, welche die ärmeren Viertel auf den umliegenden Bergen mit dem Rest der Stadt verbinden. Wir fahren mit der Metrolinie B bis San Javier. Eigentlich wollen wir uns die Comuna 13 anschauen, beschließen aber kurzerhand unsere Tickets auszunutzen und erst eine Runde mit solch einer Gondel zu fahren. Verlässt man die Metrostation, ist das Ticket nämlich nicht mehr gültig und man muss sich für die Gondel ein Neues ziehen. Je höher wir fahren, desto enger werden die Gassen, die sich in Haarnadelkurven um die Häuser ziehen. Es wird leiser, weil man keine Menschenmassen und laufende Motoren mehr hört. Kinder spielen auf der Straße, Frauen hängen ihre Wäsche auf. Erst jetzt wird uns bewusst, wie riesig diese Stadt eigentlich ist.

Comuna 13
Über Jahre hinweg wurden hier Kämpfe ausgefochten, Mord und Kriminalität waren an der Tagesordnung, nicht einmal die Polizei wagte sich hinein. Einst als gefährlichstes Viertel der Welt bezeichnet, ist Comuna 13 in Medellín heute ein Stadtteil voller Streetart in allen Farben. Gerade Street-Art Liebhaber kommen hier voll auf ihre Kosten. Das Grafitti und die Musik vieler Künstler zeigen die Geschichte des Bezirks, die mich sehr berührt. Zwar ist es auch heute noch ein kriminelles Viertel, allerdings gerade tagsüber für Touristen ungefährlich. Die Anwohner freuen sich über den Besuch. Wie auch in den anderen Kommunen der Stadt geht es hier sehr steil bergauf. Zur Freude der Bewohner (und zum Glück für uns) gibt es in der Comuna 13 seit einigen Jahren eine Rolltreppe, um die Menschen nach oben zu bringen. Denn nur die wenigsten Anwohner besitzen ein Auto oder Roller und die meisten Häuser sind nur durch enge Gassen verbunden, was es früher sehr schwer für die Menschen machte, in die Stadt zu kommen.









Zu den Touren in Medellín: Es gibt viele Tour Anbieter in der Stadt, die unterschiedliche „Escobar Touren“ anbieten. Aus Respekt den Einwohnern – und allen voran derer, die diese grausame Zeit miterleben mussten – ist es nicht empfehlenswert, solche Touren zu machen. Es wird nicht gerne gesehen.

Enttäuschung im Park Aví
An unserem vorletzten Tag beschließen wir, einen Ausflug in den Parque Arví zu machen. Eine eigene Seilbahnlinie verbindet Medellín mit dem Naherholungsgebiet. Zugegebenermaßen ist die Fahrt dorthin leider das spannendste des ganzen Tages. Wenn man in den Park will, muss man zwischenzeitlich aussteigen und erneut für die Seilbahn zahlen. Für die Rückfahrt wird dann auch nochmal Geld verlangt. Bei der Ankunft im Park wird uns gesagt, dass die meisten Wanderungen nur mit einem Guide erlaubt sind – dieser ist aber nicht nur super teuer, die Touren fanden zu unserer Zeit gar nicht statt. Super. Hätte man uns ruhig mal sagen können, bevor wir für die Seilbahn ein Vermögen ausgeben. Wir laufen ein bisschen umher und machen eine eigene kleine Wanderung, bevor wir enttäuscht die Rückfahrt antreten.
Nach 3 Tagen in Medellín ziehen Tobi und ich weiter nach Guatapé. Die unglaublich schöne Seenlandschaft haben wir zuvor schon auf so vielen Bildern gesehen und nach dem Trubel der Stadt freue ich mich riesig darauf. Noch ahne ich nicht, dass ich Medellín schneller wiedersehen werde, als mir lieb ist…
Guatapé
Mit dem Bus ist die Region Guatapé von Medellín aus easy zu erreichen. Dieser fährt am Terminal del Norte ab und braucht trotz kurzer Entfernung knapp zwei Stunden. Wir steigen etwas früher aus und verbringen die erste Nacht in einer Unterkunft direkt an einem der Seen. Eigentlich ganz schön, wären da nicht die Zehntausend Mücken (ich schwöre, ich habe sie gezählt 😉), die sich in der Nacht einen Weg in unser Zimmer suchten. Am nächsten Tag suchen wir das Lake View Hostel in Guatapé auf.

Pferdestau in San Rafael
Wir leihen uns einen Roller und fahren durch die gigantisch schöne Landschaft von Guatapé nach San Rafael. Es geht wortwörtlich über Berg und Tal, vorbei an mehreren Seen und kleinen Wasserfällen, bis wir an einem Pferd vorbeifahren. Und noch einem. Und noch einem. Schwupps, da stehen wir glatt in einem Pferdestau. Kein Scherz!
Wir wissen bis heute nicht genau, was für ein Event an diesem Tag in diesem abgelegenen Dorf stattfand, unseren Roller umzingelten plötzlich jedenfalls hunderte Reiter und mir wurde ganz unwohl. Funfact: Ich habe schreckliche Angst vor Pferden. Ich wurde mal von einem geklaut – Es ging zwar alles gut, aber Pferde sind mir seitdem eher unsympathisch.



Drama Jess, Drama!
Schon während der Fahrt mit dem Roller merke ich, dass ich schon wieder krank werde. Nach Cali und Filandia ist es nun schon das 3. Mal innerhalb eines Monats, dass es mich erwischt. Zunächst versuche ich es zu ignorieren und wir laufen noch ein wenig durch das Dorf, aber mein Zustand wird innerhalb weniger Stunden immer schlimmer. Schon am nächsten Morgen müssen wir das Hostel verlassen, weil ich hohes Fieber und Schüttelfrost habe. Wir ziehen in ein Privatzimmer und ich schlafe den ganzen Tag. Die Sache passt mir gar nicht in den Kram, weil vor uns eine 12 stündige Fahrt in den Norden Kolumbiens liegt. Nach einer längeren Diskussion mit Tobi lasse ich mich schließlich dazu überreden, doch nochmal einen Arzt auf meinen Zustand schauen zu lassen und fahre mit ihm zusammen zurück nach Medellín unter der Bedingung, noch am Abend weiterzufahren. Haha, ich Dummchen.
Und plötzlich war das Smartphone weg
Es geht alles so schnell. Wir stehen an einer Station in Medellín, der Zug fährt ein. Ich möchte zunächst rechts einsteigen, entscheide mich aber um als ich merke, dass Tobi mir nicht hinterherkommt. Ich drehe mich um und sehe, dass ein Mann die Menschen grundlos von hinten auf extreme Art und Weise in den Wagon schiebt. „Was für ein Idiot“ denke ich mir und folge Tobi in die Metro. Drinnen dann der Schock: Tobis Handy ist weg. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich, der Mann. Ich hätte es wissen müssen! Wir schauen uns um, doch von ihm fehlt jede Spur. Vom Smartphone seitdem auch. Beklaut auf dem Weg ins Krankenhaus, Unglück im Unglück, wie Ironisch ist das denn!?
Fliegende Rucksäcke im Krankenhaus
Im Krankenhaus gestaltet sich die Kommunikation dann etwas schwieriger. In meinem Anfänger-Möchtegern Spanisch kann ich vielleicht einen Cocktail bestellen, aber eine handfeste Beschreibung meines Gesundheitszustands ist ein reines Fiasko. „Me siento mal – ich fühle mich schlecht“ steht auf meinem Einweisungsschein. Ich werde also einmal komplett auf den Kopf gestellt, aber was genau mir eigentlich fehlt kann mir niemand sagen. In diesem Zustand könne ich unmöglich die Stadt verlassen, sagt der Arzt. Da freue ich mich aber. Finde ich witzig, und das im wahrsten Sinne des Wortes! Ich habe keine Ahnung, was genau mir da verabreicht wird, ich sehe jedenfalls fliegende Rucksäcke und habe den Spaß meines Lebens. Von den Schmerzen und Enttäuschung nicht weiterfahren zu können fehlt – zumindest an diesem Abend – jede Spur.

Schon am nächsten Morgen weckt mich die Realität mit einer gepfefferten Backpfeife. Mein Körper rebelliert heftigst gegen die verabreichte Medizin aus dem Krankenhaus. In den folgenden Tagen werde ich noch drei weitere Male das Krankenhaus aufsuchen, bis endlich herausgefunden wird was mir fehlt und ein Antibiotikum verordnet wird.

Futter und Restaurants in Medellin
Ich würde zu gerne den Churrosmann empfehlen, bei dem Tobi am ersten Abend in Medellin die besten Churros der Welt gekauft hat. Wir scheinen uns diesen Mann aber nur eingebildet zu haben, denn am folgenden Tag war er samt Churros-Stand komplett verschwunden und tauchte während unserer Zeit in der Stadt auch nicht mehr auf. Vielleicht hat er mit uns aber auch die Einnahmen seines Lebens gemacht und schlürft auf einer einsamen Insel eine Kokosnuss. We´ll never know.
Dafür kann ich empfehlen, abends den Mercado del Rio zu besuchen. Neben einer unfassbar großen Auswahl von unterschiedlichsten Gerichten aus aller Welt gab es dort einen Waffel-Stand, den wir gleich zweimal besuchten.

Wer Lust auf Burger hat, der findet auf der fancy Karte von Hello! Burgers & Beer sicherlich etwas, denn die Auswahl dort ist riesig!
Falls es dann doch lieber Indisch sein soll findest du im Restaurant Zaaika sehr gutes Essen für den Backpacker-Geldbeutel.
Fazit Medellín
Nach einer gefühlten Ewigkeit in der kolumbianischen Metropole kann ich sagen, dass ich sie gleichzeitig lieben und hassen gelernt habe. Wenn ich zurückdenke, dann schaue ich auf eine stressige Stadt, einen Diebstahl und eine Zeit, in der es mir wirklich dreckig ging. Aber ich sehe auch viele schöne Tage, gutes Essen und tolle Erlebnisse, Menschen die mir geholfen haben und allen voran einen Partner, der nicht von meiner Seite wich. Und es hat mir gezeigt, dass auf Reisen eben auch manchmal einfach so richtig was schief gehen muss, damit man die schönen und guten Erlebnisse umso mehr zu schätzen lernt. Deswegen gibt es von mir eine klare Empfehlung für Medellín und Guatapé – beides wunderbare Orte, die auf einer Reise durch Kolumbien keinesfalls fehlen sollten.